Die Miniaturen der folgenden Seiten entstanden aus Gesprächen mit den verschiedensten Menschen, auf Reisen, in Kaffeehäusern und auf Plätzen der Stadt, auf Zugfahrten, manches auf der Fähre. Sie mögen nicht als „Erkenntnisse" einzelner verstanden sein, sondern als Beobachtungen.
1
Die meisten Antworten gab ein hoch in den Jahre gekommener Arzt. Niemand kennt dessen Alter genau, doch sein Körper ist agil und beweglich, das Gesicht wirkt jugendlich mit stets freundlichen und humorvollen Augen. Menschen, die es wissen müssen, erzählen, dass allein schon seine Gegenwart eine wohltuende, ja heilsame Wirkung auf die Umgebung hätte.
Er wird nicht müde, immer und immer wieder jene Aufforderung aus alten Tagen zu wiederholen: Der Patient sei sein Arzt - der Arzt dessen Gehilfe.
2
Warum reden die Alten von Heilkunst?
Ist es keine Kunst, aus dem Jetzt des heutigen Tages,
aus der Ordnung klarer Intuition heraus,
das Ringen der Seele zu sehen,
die sich aus Altem erheben will
in die Schönheit des klaren Tages?
Weil in der Medizin
der lebendige Augenblick
das Feuer der Seele,
(der Quell jeder wahren Kunst),
abhanden gekommen ist,
und äußerliches Wissen,
quälender Buchstabenglaube
mehr zählt als anderes,
darum ist es so verkehrt,
wie es zur Zeit verkehrt ist.
3
Krankheit, recht verstanden, ist Gesundheit -
Gesundheit falsch verstanden ist auf alle Fälle krank.
4
Heilkunde - Lebensthema schlechthin.
Führt sie doch aus der Krankheit der Zeit
in die Genesung der Gegenwart
zur Versöhnung mit dem Leben.
Heilkunde: Erinnerung
an DEN Menschen,
den inneren Menschen -
an die Essenz.
Heilkunst: Die Verwirklichung zum Einen Wesentlichen,
das im Lichte ist.
5
Warum es bei Krankheiten eigentlich nicht um Krankheiten geht?
Die Natur, die menschliche und die übrige,
kennt keine Krankheiten. Was wir als solche bezeichnen,
sind Ausgeburten des Irrtums und unserer oft recht phantasievollen Abstraktionskunst (d.h. Namensgebung für etwas, das es nicht gibt). Was es gibt sind Lösungsprozesse und Stagnationen, die Symptome zeigen. Deswegen kann richtiger Weise gesagt werden, dass es bei Krankheiten nicht um Krankheiten geht. Worum sollte es denn gehen, als um das Zulassen von Veränderung und Lösung?
6
Sie sind kein bequemer Arzt, sagte einmal eine ratsuchende Frau zu mir.
Ich konnte nicht anders als ihr zu antworten: danke, es spricht für Sie, dies zuerkennen.
7
Unlängst hörte Herr W., der Labormediziner, auf der Straße folgenden Satz: Die heutige Medizin ist eine Schande für den Ärztestand.- Als er sich empört in das Gespräch mischen wollte, sah er sich plötzlich selbst - als der, welcher sprach.
8
Ein anderes Mal, wieder in den Straßen, wo wir erstaunliche Dinge hören, wenn wir hören, sagte die Brotverkäuferin zu ihrer Freundin: Zum Arzt geh ich nur wegen dem Krankenstand, behandeln tu i mi selba. -
Oh Größe unserer Zeit, dachte ich still bei mir im Weitergehen.
9
Versuchen Sie doch einmal Medizinerschwemme von Ärztemangel zu unterscheiden!
Gibt es folglich zu wenig Ärzte?
Ja, denn der Patient sei sein Arzt und der Arzt dessen Helfer! So hören wir seit langen Zeiten schon.
10
Von den gleichen Gewichten
Es gibt keine biologischen Ungleichgewichte.
Kann unserer Körper etwas anderem folgen als der Seele?
Steht die Seele im gleichen Gewicht mit ihrem Auftrag?
Und, was ist der Auftrag der Seele? wurde der alte Arzt gefragt ... leider entstand in diesem Augenblick aus unergründlicher Ursache so eine Aufregung, so ein Durcheinander, dass die Antwort unterging ...
11
Heilung liegt darin,
dankbar zu sein. - - -
Auch für den Tod,
für den vor allem.
Denn, wer stirbt und dennoch lebt,
der hat das ewige Leben (Laotse).
Das, so wird uns erzählt
aus den fernen Tagen und den nahen,
ist der Gute Tod.
12
Wer die Schlange nicht achtet, wird an ihrem Biss zugrunde gehen.